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Stadt Neuffen (Druckversion)

Info-Brief zum Volkstrauertag November 2022

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges fällt es vielen Menschen – insbesondere den jüngeren – schwer, die Bedeutung, die der Volkstrauertag für die Kriegs- und Nachkriegsgeneration hatte, zu begreifen oder gar zu teilen. Vom Ersten Weltkrieg möchten wir gar nicht sprechen, diese Zeit liegt ja noch viel weiter zurück. Ist der Volkstrauertag somit in naher Zukunft ein Gedenktag ohne Volk?

Übermorgen ist der diesjährige Volkstrauertag. An diesem Novembertag versammelten sich vor Corona nahezu in jeder Gemeinde, in jeder Stadt Menschen, um der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken. Auch wenn die Teilnehmerzahl kontinuierlich abgenommen hatte, so war es doch denen, die sich versammelten, wichtig, gemeinsam an das Unrecht der Willkürherrschaft und an die Schrecken des Krieges, an das Leid der Menschen, die verfolgt, verschleppt, vertrieben, gedemütigt, verwundet oder getötet wurden, zu erinnern. Die Unmenschlichkeit hatte unglaublich viele verschiedene Facetten. Dabei bleibt seit Jahrzehnten unser Blick nicht in den nationalen Bahnen gefangen. Ausdrücklich schließen wir die Opfer der anderen Nationen in unsere Gedanken mit ein.

Wäre Corona endlich mal vorbei, dann würden auch wir uns am Sonntag traditionell zu den Kranzniederlegungen treffen können. Wir haben uns aber darauf geeinigt, wie die beiden letzten Jahre auch in diesem Jahr noch einmal die Kranzniederlegungen ohne öffentliche Beteiligungen durchzuführen, wenngleich der Volkstrauertag angesichts der Ereignisse in der Ukraine aktueller denn je ist.

Leider herrscht auch heute kein Frieden auf der Welt. Als der kalte Krieg zwischen Ost und West zu Ende ging, dachten wir, dass nun endlich Friede sei. Doch kaum war das neue Millennium angebrochen, musste sich die Welt mit einer anderen Art von Konflikt, dem Terrorismus auseinandersetzen. Und seit Februar terrorisiert Putin, dieser menschenverachtende Diktator aus Moskau, mit seinen Getreuen die Ukraine. Im Jahr 2022 ein Krieg in Europa, das war vor einem Jahr noch gänzlich unvorstellbar. Wohin es führt, wenn ein Größenwahnsinniger nicht aufgehalten werden kann, das hatten unsere Vorfahren 1939 leidvoll erleben müssen und das müssen die Ukrainerinnen und Ukrainer jetzt ebenso leidvoll erleben.

Die gelungene Aussöhnung der beiden einstigen Erbfeinde, deren 60-jähriges Jubiläum im Sommer stattgefunden hätte, ebnete Deutschland den Weg zurück in die Völkergemeinschaft und gilt als Modell für ganz Europa. Die Erinnerung an die beiden Weltkriege ist fester Bestandteil der europäischen Identität.

Wir trauern heute gemeinsam. Trauer gehört genauso zum Leben wie Freude und Glück, weil der Tod untrennbar mit unserem Menschsein verbunden ist. Trauer bedeutet Innehalten, Innehalten in der Alltagshektik und mediendurchfluteten Welt. Trauer vereint und verbindet, gemeinsame Trauer gibt Kraft. Am Gedenktag übermorgen vereinen sich individuelle und kollektive Trauer. Angehörige trauern um jene, die sie verloren haben. Unser Volk trauert um seine Opfer, aber auch – im Wissen um Schuld – um Opfer, die andere durch uns erleiden mussten.

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